Was bedeutet Blau? Die Psychologin Eva Heller bat eine Reihe von Versuchspersonen, einer Liste von Gefühlen und Eigenschaften die jeweils für sie typische Farbe zuzuordnen. Blau wurde dabei am allermeisten mit den Eigenschaften Ferne / Weite verbunden. Häufig genannt wurde Blau auch bei Ewigkeit / Unendlichkeit. Dass das so ist, wird niemanden wundern, denn den meisten Menschen fällt bei der Farbe Blau der Himmel ein, gefolgt von "See" oder "Meer"… Himmel und Meer, Luft und Wasser gehören zu den Grunderfahrungen unseres Lebens. Wie Blau auf uns wirkt, welche Gefühle und Eigenschaften wir damit verbinden, hängt wesentlich mit diesen Erfahrungen zusammen: den Blautönen des grenzenlosen Himmels vom Tag bis in die Nacht, und dem Blau des Wassers in seiner Weite und Tiefe.
Warum ist der Himmel blau?
Luft ist ja eigentlich farblos. Warum erscheint dann der Himmel blau? Den Grund dafür fand der englische Physiker Lord John William Rayleigh 1871 heraus: Das weiße Sonnenlicht setzt sich zusammen aus allen Farben des Farbspektrums. Wenn das Licht auf ein Sauerstoff- oder Stickstoffmolekül trifft, sendet dieses seinerseits Lichtwellen aus, genauso wie das Sonnenlicht, durch das es in Schwingung versetzt wurde. Blau ist am kurzwelligsten und wird dabei am stärksten gestreut. Deshalb wird es vom menschlichen Auge am ehesten wahrgenommen.
Das Blau der Transzendenz
"Solange Menschen sind, nehmen sie sich auf ihrer Erde wahr als von Blau umfangen, das den Blick emporzieht in die Höhe und Tiefe des Himmels, in eine Unendlichkeit, die paradoxerweise doch die Erde wie eine Glocke zu überwölben scheint", schreibt die Psychoanalytikerin Ingrid Riedel. "Entgrenzung einerseits, Geborgenheit andererseits kann Blau übermitteln." In der christlichen Symbolik des Mittelalters galt Blau als "die himmlische Farbe", die Farbe des Göttlichen. Auch später blieb es die Farbe der Transzendenz, der Überschreitung: Wie der Himmel erlebt wird als eine Sphäre, die das irdische Leben in seiner Begrenztheit überdauert und überspannt und in die geheimnisvolle unendliche Tiefe des Kosmos verweist, so das Blau. Der Maler Wassily Kandinsky schrieb: "Je tiefer das Blau wird, desto mehr ruft es den Menschen in das Unendliche, weckt in ihm die Sehnsucht nach Reinem und schließlich Übersinnlichem." Und der Künstler Yves Klein, bekannt geworden durch seine reinblauen Bilder und Schwammreliefs, charakterisierte Blau als "das sichtbar werdende Unsichtbare... Das Blau hat keine Dimensionen. Es ist außerhalb der Dimensionen, derer die anderen Farben teilhaltig sind." Damit eröffnet es den geistigen Raum und verweist auf "das, was über das Endliche hinausgeht, was im Unendlichen seinen eigentlichen Ort hat, der jedoch nicht näher zu bestimmen ist, weil er letztendlich kein Ort, sondern ein Zustand ist."
Die Farbe der Seelentiefe
Im Wasser spiegelt sich das Blau des Himmels. Aber das Wasser ändert seine Farbe auch mit der Tiefe. An seichten Stellen hell und durchsichtig, wird es auf dem offenen Meer dunkel und dicht. "Für unsere Blau-Erfahrung", schreibt Ingrid Riedel, "ist auch der Blick in die durchsichtige Tiefe des Meeres oder der Seen wesentlich: die Blaustufungen von Türkis bis Ultramarin, wie sie die Taucher erleben, je nach der Intensität der Sonneneinstrahlung und der Tiefe, in der sie sich befinden. Auch von diesem Urerlebnis hat das Blau, vor allem in seinen blau-grünen Stufungen, seinen Geheimnischarakter gewonnen." Als Farbe der Meerestiefe ist Blau Farbe für das Unbewusste, für die Tiefe der eigenen Seele.